Fair Pay Global Forum in New York

Internationale Expert*innen treffen sich im Hudson-Yards-Büro von SAP zum Erfahrungsaustausch

In der Hoffnung, weitere spannende Einsichten zum Thema Überwindung des Gender Pay Gaps zu bekommen, mache ich mich ein Jahr nach dem ersten „Fair Pay Global Forum“ wieder auf den Weg nach Chelsea, wo in den Hudson Yards in den letzten Monaten neue Wolkenkratzer wie Pilze aus dem Boden schossen.

Hudson Yards, NYC – Fensterausblick am Veranstaltungsort

In den Straßen herrscht diese urtümliche Mischung aus Dampf, Schweiß und Dreck. Das Ergebnis der Arbeit sind Bauwerke aus Stahl, Glas und Glanz, die selbst für New Yorker Verhältnisse noch monströs wirken. Drinnen herrscht dann eher Understatement und skandinavische Anmutung im SAP-Büro: leichte Design-Möbel, luftige Räume, Wohlfühl-Sitzgruppen.

Internationale Delegierte

Der Sonnenschein draußen aber korrespondiert mit der Wiedersehensfreude der internationalen Delegierten der 63. UN-Frauenrechtskommission und ihren Kooperationspartnerinnen, die bei diesem „Side-Event“ weitere Koalitionen schmieden können. Ich freue mich, die High-Professionals zu Gesicht zu bekommen und ein Teil des Ganzen zu sein.

Henrike von Platen eröffnet das zweite Fair Pay Global Forum

Dank des „Fair Pay Innovation Lab“, das unter der Leitung von Henrike von Platen und der Organisation von Katinka Brose auch dieses Jahr wieder geschickt eine so internationale Zusammenkunft eingefädelt hat, ist „Equal Pay“ auch gleich kein tristes Thema mehr. Von Platen begrüßt wie immer sehr schwungvoll und ein wenig provokativ: „Solange sich die Jungs wohlfühlen, kommt keine Bewegung rein!“ Das Thema nur von der Wirtschaftlichkeitsseite in den Unternehmen her anzugehen, reiche nicht. Das Management müsse in einem größeren Rahmen zur Verantwortung gezogen werden. Die Richtschnur dafür sei die Agenda 2030.

Agenda 2030

Zur Erklärung: Die Agenda 2030 ist eine Erklärung der Vereinten Nationen, in der alle nötigen Rahmenbedingungen abgesteckt sind, um eine nachhaltige, zukunftsfähige Entwicklung bis 2030 zu gewährleisten. Ja, man möchte fast etwas verbittert die Mundwinkel verziehen – angesichts der hehren Ziele und des aktuellen Stands der Politik – aber ohne sie geht es erst recht nicht. Meinen Respekt für die Frauen um mich herum, die den Marsch durch die Institutionen gehen und nicht verzagen! Was genau sagt die Agenda 2030 zum Thema Frauenrechte? Folgendes (Auszug):

Women and girls must enjoy equal access to quality education, economic resources and political participation as well as equal opportunities with men and boys for employment, leadership and decision-making at all levels. We will work for a significant increase in investments to close the gender gap and strengthen support for institutions in relation to gender equality and the empowerment of women at the global, regional and national levels.

Dr. Patti Fletcher hält die Keynote

Keynote ,Female Leadership‘

Für die Keynote wurde Dr. Patti Fletcher eingeführt – sie arbeitet für SAP und ist Expertin in Sachen Gender Equity, Cultural Transformation & Leadership und somit die ideale Vertreterin der Ziele der erwähnten Agenda 2030. Fletcher findet, dass es gegenwärtig wichtiger ist, das System zu verändern, als über den Männern die Moralkeule zu schwingen und den Frauen ständig zu erzählen, wie sie sich verändern müssten, um ins System zu passen. ‚Female Leadership‘ ist für sie das Gebot der Stunde und ihr Buch, in dem sie ihr Credo mit Fallbeispielen untermauert, heißt folgerichtig: „Disrupters. Success strategies from women who break the mold“.

Podiumsdiskussion ,Best Practice‘

Die Podiumsdiskussion zum Thema „Exchanging Best Practices on Fair Pay“ wurde eröffnet und die Moderatorin, Roseann Lake, machte sofort Eindruck mit ihrem energiegeladenen Auftritt. Sie ist zurzeit Kuba-Korrespondentin für den Economist und war zuvor in selbiger Funktion fünf Jahre in China. Auch sie hat ein sehr interessantes Buch geschrieben, das zum Thema passt – über unverheiratete Frauen in China, die ab dem 27. Lebensjahr als sogenannte „Leftovers“ bezeichnet werden und ausgerechnet dieser vermeintlichen Benachteiligung ihre beruflichen Möglichkeiten verdanken und ein zunehmend wichtiger Faktor in der Wirtschaft des Landes werden.

Lake begrüßt auf dem Podium Dr. Sylvie Durrer, Direktorin der Gleichstellungsbehörde FOGE in der Schweiz, Sherry Hakimi, Geschäftsführerin von genEquality, Tifenn Dano Kwan, Marketingleitung SAP Ariba, und Hilary Spencer, die Direktorin der Gleichstellungsbehörde der britischen Regierung.

Die Podiumsrunde mit (von links): Moderatorin Roseann Lake, Dr. Sylvie Durrer, Sherry Hakimi, Tifenn Dano Kwan und Hilary Spencer

Sylvie Durrer kann für die Schweiz über das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz über die Berichtspflicht für Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten berichten, die auf mannigfaltige Weise zu Diskussionen führte. Auch wenn es keine direkten Strafen für ungleiche Bezahlung gäbe, ist es die öffentliche Reputation, die Druck ausübt. Weshalb auch zunächst die Widerstände gegen die Schriftform groß waren. Hilary Spencer erläutert die Bemühungen in ihrem Land und kann, was die Rückantwortsquote der in Großbritannien vorgeschriebenen Berichte von Unternehmen mit mehr als 250 Angestellten eine fantastische Zahl von hundert Prozent vermelden. Der Gender-Pay-Gap war laut Spencer 2018 ‚das‘ Business-Thema in Großbritannien. Nun wäre das Material auf dem Tisch und Zeit zu handeln.

Fragen aus dem Publikum – interne und externe Strategien

Blick ins Publikum; im Hintergrund Henrike von Platen und Katinka Brose vom fpi

Die Fragen aus dem Publikum im Anschluss an die Statements der Podiumsteilnehmerinnen drehten sich darum, was denn die evaluierten Unternehmen zu ihren (traurigen) Zahlen sagen würden, was interne Strategien sein könnten und was für öffentliche Kampagnen zum Erfolg führen könnten. Und was eigentlich mit den Frauen wäre, die kaum ihren Lebensunterhalt verdienen könnten?

Durrer antwortete, dass viele der Betriebe zuvor noch nie Zahlen erhoben hätten und schockiert gewesen seien. Viele der typischen Probleme seien zum Vorschein gekommen, wie zu geringes Einstiegsgehalt, Hängenbleiben im mittleren Management und vieles mehr. Kwan berichtete für ihr Unternehmen als eine Maßnahme zur Karriereförderung von Frauen, über eine vom CEO angeregte Video-Aktion, bei der sich die Mitarbeiterinnen zu einem Ziel äußern konnten, das sie erreichen wollen, und das für Sichtbarkeit und Dynamik gesorgt hätte.

Zum Thema Kampagnen gab es als Beispiele die große Demonstration, die in der Schweiz dem neuen Gesetz voranging und die Aussicht auf einen weiteren Frauenstreik im Sommer 2019. Und natürlich kam die Sprache auch auf den legendären Frauenstreik in Island 1975 und das Gesetz von 2018, das geschlechterspezifische Lohndiskriminierung in Island verbietet und unter Strafe stellt. Island gilt seit Langem als Vorreiter in Sachen Gleichstellung – unter anderem auch mit 50 Prozent weiblichen Abgeordneten im Parlament.

Auf die Frage nach den prekären Arbeitsverhältnissen betonen Durrer und Hakimi, dass eine Regierung bzw. auch eine Stadtverwaltung Mittel hätten, um gegenzusteuern, wie beispielsweise die Einführung von Mindestlöhnen und deren Anhebung einen ersten positiven Schritt in diese Richtung bedeutet hätten. Die Unternehmen müssten von der Politik in diese Richtung unter Druck gesetzt werden.

Die Gespräche werden in kleineren Gruppen fortgeführt

Informeller Nachklang

Nach der offiziellen Runde war Lunchpause und die Gespräche wurden in unterschiedlichen Gruppierungen fortgesetzt. Der offizielle Teil ist eine gute Möglichkeit, sich zusammenzufinden, aber den eigentlichen Nutzen ziehen die Expertinnen wohl eher aus den informellen Gesprächen. Beverly Cooper Neufeld, Präsidentin von PowHer in NYC, leitete eine kleine Diskussionsrunde, bei der von einer jungen Frau aus Frankreich die Frage gestellt wurde, wo denn hier eigentlich die Männer seien und wie wir das Problem erfolgreich beheben wollten ohne sie. Woraufhin ein junger Mann meinte, er fände das Thema wichtig und wisse auch nicht, wo die anderen Männer seien. Und der ältere Herr im Sakko, der dingfest gemacht werden konnte, meinte ironisch, warum sie denn kommen sollten, sie hätten doch keinen Leidensdruck.

Da schließt sich dann wieder der Kreis zu den einleitenden Worten von Henrike von Platen. Ich nehme den Kommentar des Herrn ernst und gebe hiermit weiter: Druck erhöhen. Mann kann es doch egal sein, wie unzufrieden wir sind, solange wir funktionieren. Oder? Und warum in Deutschland der Gehaltsunterschied so viele anscheinend so kalt lässt, habe ich ohnehin noch nie verstanden.

Copyright Fotos: sh

Dieser Text wurde auf dem Blog der BücherFrauen veröffentlicht.

Eine englische Version findet sich auf der Website des Fair Pay Innovation Lab unter dem Titel „Female Leadership in Action„.