„Linns Abenteuer“ in Boston

„Linns Abenteuer“ in der Bibliothek der Deutschen Samstagsschule Boston – und wer dahinter steckt!  Interview mit Romy Eichner

Romy und ich auf Sightseeing-Tour in Manhattan im „Oculus“

Liebe Romy, wir kennen uns noch aus unserer gemeinsamen Zeit beim damaligen Münchner Verlag „Systhema“, bei dem Du eine Ausbildung zur Verlagskauffrau begonnen hattest. Danach haben wir uns aus den Augen verloren, auch weil Du recht bald nach Amerika ausgewandert bist. Nun hast Du gerade mein Kinderbuch „Linns Abenteuer“ zur Bibliothek der „Deutschen Samstagsschule Boston“ gebracht. Lieben Dank dafür!

Erklärst Du uns bitte kurz, was die „German Saturday School Boston“ für eine Funktion hat?

„Die Deutsche Sonnabendschule Boston unterrichtet seit 1874 die Sprache Deutsch. Die Schüler kommen alle aus dem Großraum Boston. Wir haben Klassen von der Vorschule bis zur 12. Klasse. Viele der Schüler haben mindestens ein deutsches Elternteil, oder eine deutsche Oma oder einen deutschen Opa oder entferntere deutsche Familienangehörige. Momentan sind 435 Schüler eingeschrieben. Die Funktion, die sich die Schule auferlegt hat, ist, den Kindern und ihren Familien zu helfen, die deutsche Sprache und auch die deutsche Kultur nicht nur nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, sondern auch, sie zu vertiefen. Zweisprachige oder mehrsprachige Familien befinden sich oft in einem Konflikt, in dem mindestens eine der Sprachen nachlässiger gesprochen und benutzt wird als die andere/n. Die Sonnabendschule ist hierbei eine wunderbare Stütze, diesem Konflikt entgegenzuwirken.“

Du gibst dort auch selbst Unterricht – was bedeutet den Kindern die deutsche Sprache und wie motivierst Du sie?

Samstag – Bibliothekstag!
Foto: Romy Eichner

„Das ist eine sehr gute und sehr komplexe Frage. Ich bin an der Deutschen Samstagsschule als Kindergärtnerin tätig. Was bedeutet den Kindern die Sprache? Das hängt sehr von der Familienkonstellation ab. Wenn die Sprache eine dominante Stellung im Leben der Kinder hat, zum Beispiel, wenn beide Eltern deutsch sprechen oder mindestens die Mutter, dann hat die Sprache oft auch einen großen Stellenwert für die Kinder. Sie sprechen meistens auch gut und besser als ihre Mitschüler. Für diese Kinder besteht keine große Frage, warum sie an der Schule sind, oder warum sie Deutsch lernen. Wenn die Sprache eine etwas weniger dominante Stellung hat, wenn z.B. nur die Großeltern noch deutsch sprechen oder “nur” der Vater, hat es oft auch eine Auswirkung auf das Interesse der Kinder an der Sprache und an ihrer Teilnahme am Unterricht. Es gibt natürlich auch in allen Fällen Ausnahmen und Überraschungen. Manchmal spricht das eine oder andere Kind mit einem deutschsprachigen Vater sehr gut Deutsch und ist auch sehr aktiv am Unterricht beteiligt. Samstags in die Schule zu müssen, ist aber auf jeden Fall bei fast jedem der Schüler weniger beliebt, würde ich sagen. Da kommt schon oft Widerstand. Das ist ein sehr normaler Zustand an unserer Schule. Hut ab an all die Eltern, die trotzdem ihre Kinder über viele Jahre in die Schule bringen.

Die Bibliothek der Deutschen Samstagsschule in Boston hat die größte Sammlung deutschsprachiger Kinderbücher in Nordamerika.
Foto: Romy Eichner

Wie motiviere ich sie, deutsch zu sprechen? Naja, wir im Kindergarten haben Glück. Wir spielen viele Spiele, singen viele Lieder, wir tanzen. Die Kinder haben freie Zeit mit Legos, Autos und Bausteinen zu spielen. Es gibt Aufkleber, Puppentheater, lustige Aktivitäten, wir lesen Bücher vor. Damit versuche ich sie am Ball zu halten. Und alle 5 Minuten kommt mein Satz: Aber das kannst du doch auf Deutsch sagen, oder? In den höheren Klassen wird es dann schon schwieriger, weil der Unterricht von Jahr zu Jahr akademischer wird. Das ist bestimmt eine andere Anstrengung. Ich bleibe da lieber im Kindergarten.“

Wer betreibt die Bibliothek und auf wieviel Interesse stößt sie?

Freiwillige Eltern betreiben die Bibliothek
Foto: Romy Eichner

„Die Bibliothek wird von den Eltern auf freiwilliger Basis betrieben. Jedes Jahr werden die Aufgaben neu verteilt. Die meisten Eltern bleiben natürlich nur so lange, bis ihre Kinder mit der Schule fertig sind. Jede Familie kann sich als freiwillige Helfer an der Schule einschreiben. Dadurch wird der Preis für die Einschreibung reduziert. Eltern machen alle möglichen Dinge, von Board-Mitgliedern, über Bibliothekare, über Hall Monitor bis Room Parent, sind viele Familien sehr beschäftigt am Samstag. Die Bibliothek ist sehr beliebt bei unseren Familien. Das ist der einzige Ort in Massachusetts, von dem ich weiß, an dem wir deutsche Kinderbücher, Magazine und Videos ausleihen können. Ein wunderbarer Ort!“

Lesen Deine eigenen Kinder gern – und was?

Meine Kinder lesen sehr gerne. Elli liest so viel und so schnell, dass ich nicht hinterherkomme. Harry Potter hat sie schon mit 8 Jahren angefangen und ich glaube sie hat alle Bücher der Reihe 3- oder 4-mal gelesen. Sie ist jetzt 11 Jahre alt. Eine andere Lieblingsreihe sind die Percy Jackson Bücher und eine Serie die in Deutschland “Warrior Cats“ heißt. Sie mag auch die “Diary of a Whimpy Kid” Serie. Sie liest leider nur auf Englisch. Deutsch sei ihr zu schwer, sagt sie. Das glaube ich auch. Sie versteht und spricht sehr gut deutsch, aber lesen und schreiben leiden sehr darunter, dass sie hautsächlich von Englisch umgeben ist. Sie war 3 Jahre an der Sonnabendschule, wie auch mein Sohn James. Aber dann hatte sie keine Lust mehr, samstags in die Schule zu gehen. James liest am liebsten Comics, alles was lustig ist, oder etwas mit Videospielen zu tun hat, auch nur auf Englisch. Aber mit ihm lese ich noch oft eine deutsche Geschichte, wenn er ins Bett geht, so lange, bis er sich eines Tages weigern wird.

Bitte erinnere Dich noch einmal zurück: was war Dein erster Job in den USA? Und welche Erfahrungen hast Du dort gesammelt, die heute noch von Bedeutung sind für Dein (Berufs-)Leben hier?

Romy zu Besuch in Brooklyn, wir sind auf dem Weg zu einer Lesung in der Buchhandlung „Powerhouse“ in DUMBO
Foto: sh

Mein erster bezahlter Job hier in den USA begann Dezember 2002 im Body Shop in Downtown Crossing Boston. Dort habe ich Seifen und Cremes verkauft, während ich ehrenamtlich am Goethe Institut aushalf, was mir dann nach ein paar Monaten zu einem Job am Goethe Institut Boston verhalf. Aber während meiner Zeit im Body Shop habe ich viele interessante Erfahrungen gemacht. Meine Chefin und ihre Töchter hatten zwei Body Shop Filialen in Boston. Ich bewunderte ihren Mut und ihren Fleiß, diese Läden erfolgreich zu führen. Ich habe auch das Gefühl kennen gelernt, was es bedeutet in Amerika zu arbeiten. Wenn man Vollzeit in einer Verkaufsposition arbeitet, lebt man zwar nicht an der Armutsgrenze, aber man kommt damit nicht sehr weit. Man führt ein recht einfaches Leben. Die Frauen, die dort angestellt waren, hatten entweder noch andere Jobs oder waren Studentinnen, und wurden von ihren Eltern unterstützt. Aber auf der anderen Seite hat man das Gefühl der “Freiheit”, alles machen zu können, alles probieren zu können, wenn man mutig und fleißig ist und viel Glück hat. Theoretisch steht einem alles offen. Das Gefühl der Sicherheit gibt es hier in den USA nicht, eine Art Sicherheitsnetz, auf das man zurückfallen könnte, existiert nicht. Es fühlt sich härter, kälter an, hier in den USA angestellt zu sein.

Du bist selbst eine neugierige Leserin und hast Dich bei unserem Besuch in der New Yorker Kultbuchhandlung „Strand Books“ mit neuer Lektüre eingedeckt – welches Buch liest Du gerade/hast Du zuletzt gelesen?

Jose Antonio Vargas, Autor von „Dear America, Notes of an Undocumented Citizen“, signiert sein Buch und spricht mit Romy.
Foto: sh

Momentan lese ich zwei Bücher gleichzeitig. Das Buch, das ich von der Lesung in Brooklyn mitgebracht habe: “Dear America, notes of an undocumented citizen” und “Women, who run with the wolves”.

Herzlichen Dank für Deine Antworten und wie schön, dass sich unsere Wege wieder gekreuzt haben!